So leben wir – und wie lebst du?

Kinderleben und -alltag in Deutschland sind vielseitig und vielfältig

In diesem Sachbilderbuch erzählen zehn Kinder, die in Deutschland leben, von sich, ihrer Familie und ihrem Alltag. So vielfältig und facettenreich, wie das Leben ist, so unterschiedlich sind auch ihre Lebensweisen: vom Leben im Bauwagen oder auf einem Hausboot, mit vielen Geschwistern oder dem Papa alleine, in Patchwork- oder Großfamilien, mit Eltern oder Großeltern, die Traditionen aus anderen Ländern mitbringen – hier wird Vielfalt als Bereicherung gefeiert.

  • Alle Kinder berichten individuell von sich und ihrem Leben, so dass es vermieden wird, Menschengruppen zu stereotypisieren.
  • Das Buch verdeutlicht: Alltag und Leben in Deutschland kann ganz unterschiedlich aussehen und ist gerade in dieser Vielfalt »völlig normal«.
  • Ein Freundschaftsbuch wird herumgereicht: Die Idee des Buches ist die eines Freundschaftsbuchs, das unter den Kindern herumgereicht und noch mit ausführlicheren Erzählungen bereichert wird.
  • Mit eigener Eintragseite ins Freundealbum: Am Schluss des Buches befindet sich eine freie Seite des Freundebuchs, in die sich das Kind selber eintragen kann.
  • Mit vielen farbenfrohen Illustrationen: Die reich bebilderten Seiten machen die verschiedenen Lebenswelten deutlich.

Die Autorin Chantal-Fleur Sandjon zu den Hintergründen ihres diversen Kinderbuchs:

Diverse Kinderbücher – für uns alle

Endlich reden wir über Vielfalt – und vielmehr noch: Wir zeigen, wie divers unsere Gesellschaft bereits ist, schaffen Platz für Lebenswelten und Erfahrungen, die lange Zeit an den Rand gedrängt wurden.

Wer Kindern wertschätzende und vielschichtige Darstellungen von Diversität hierzulande zeigen möchte, für den liefert das von Lucy Farfort bezaubernd illustrierte Buch wichtige Einblicke und Impulse. Hierbei werden Pako und zehn seiner Freund*innen vorgestellt, Kinder mit vielen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschieden in ihren Lebensrealitäten, Positionierungen und Erfahrungswelten.

Spiegel und Fenster für eine vielfältige Gesellschaft!

Durch die Darstellung unterschiedlicher Lebenswelten und Erfahrungen werden Kindern sowohl Spiegel als auch Fenster angeboten, wie es die afroamerikanische Professorin Rudine Sims Bishop formuliert hat: Spiegel der eigenen Lebenswelten und damit Identifikationsangebote für Kinder, aber auch Fenster, sprich Einblicke und Zugänge zu Lebenswelten, die nicht der eigenen entsprechen und in ihr wenig bis gar nicht vorkommen.

Diversität in Kinderbüchern

Warum ist eine gleichwertige Darstellung von Lebenswelten so wichtig?

Kinder lernen aus Büchern ganz nebenher die Ordnung aller Dinge, den Stellenrang und Stellenwert jedes Einzelnen. Gesellschaftliche Normen und Machtstrukturen werden auf diese Weise entweder verfestigt oder infrage gestellt. Marginalisierte Kinder, die zum Beispiel Erfahrungen von Rassismus, BeHinderung oder Klassismus machen, erfahren, indem sie häufig höchstens als Nebenfiguren vorkommen, dass ihr Platz in der Welt am Rande des Geschehens ist – wenn überhaupt. Vielfältige Identifikationsmöglichkeiten werden ihnen nicht angeboten.

Brauchen alle Kinder diverse Bücher?

Ganz anders ergeht es all denen, die gesellschaftlich als »normal« definiert werden, also zum Beispiel weiß sind, der Mittelschicht angehören und nicht beHindert werden. Sie lernen in solchen Erzählungen nichts Neues, sondern erhalten wieder die Botschaft, dass allein ihre Perspektiven, Emotionen und Erfahrungen wirklich von Bedeutung sind. Lebensrealitäten, die mitunter in ihrer eigenen Erfahrungswelt wenig oder gar nicht präsent sind, werden ihnen auch hier nicht nähergebracht. Verpasste Chancen, in alle Richtungen.

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Warum gibt es überhaupt Kinderbücher über Diversität?

Was es statt der Fokussierung auf wenige Lebenswelten – oder eher ergänzend zu diesen Erzählungen – braucht: die gleichwertige Darstellung von Lebenswelten, die möglichst vielen Kindern sowohl Spiegel als auch Fenster anbietet. Auf diese Weise werden Kinder in der Entwicklung ihres Selbstwertgefühls gestärkt und erhalten zugleich Wissen über andere Erfahrungswelten. Dies unterstützt sie dabei, anderen gegenüber Empathie zu entwickeln, und bereitet alle auf ein gleichberechtigtes Leben in einer diversen, demokratischen Gesellschaft vor.

Auch wenn die gesellschaftliche Vielfalt nie in ihrer Fülle abgebildet werden kann, mit der Darstellung von zehn Kindern und ihren Familien genauso wenig wie mit 100, bietet ein solcher Ansatz wertvolle Impulse für die Auseinandersetzung mit Vielfalt und empowernde Momente für viele Kinder, denen in Erzählungen selten Identifikationsangebote gemacht werden.

Welche Rolle spielen Vielfalt und Inklusion für Kinder?

Dass Menschen unterschiedlich aussehen, sprechen und/oder lieben, spielt für junge Kinder keine Rolle. Sie wachsen in ihre Familien und Lebenswelten hinein und empfinden diese als selbstverständlich.

Im Laufe ihrer Entwicklung wird ihnen jedoch bewusst, dass diese Unterschiede gesellschaftlich bewertet werden und sie auch die gesellschaftliche Teilhabe mitgestalten. Sie werden zum Beispiel schon sehr früh mit Stereotypen und starren Rollenbildern von Mädchensein und Jungssein, von Männlichkeit und Weiblichkeit konfrontiert.

Sie erfahren vielleicht auch selbst Ausgrenzung aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens. Daraus entwickeln viele Kinder ein starkes Gerechtigkeitsgefühl und den Wunsch nach Gleichberechtigung und -behandlung. Vielfalt und Inklusion sind somit Themen, die den meisten Kindern in ihrer Erfahrungswelt vertraut und von Bedeutung sind.

Diversität für Kinder erklärt

Diversität bezeichnet die Tatsache, dass Menschen sehr unterschiedlich sein können und sind, was Merkmale wie ihre Herkunft, ihre gesprochenen Sprachen, ihre Geschlechter, ihr Alter, ihre Körper angeht. Einige von ihnen machen auch Erfahrungen von Behinderung oder Rassismus in der Gesellschaft, etwa wenn sie gehörlos sind und/oder einen Rollstuhl nutzen, wenn sie Schwarz und/oder asiatisch sind. Menschen leben und lieben unterschiedlich, haben verschiedene Talente und Schwächen.

Diversität begreift all diese Unterschiede nicht nur als selbstverständliche Gegebenheit in unserer Gesellschaft, sondern als Bereicherung. Der Begriff versteht Vielfalt als etwas, das unser Miteinander wertvoller macht und bereichert, denn gerade durch diese Vielfalt können wir voneinander lernen, einander ergänzen und unsere Sicht auf die Welt erweitern.

Diversität gibt es nur, wenn wir uns alle wahrnehmen können, uns frei entfalten können, uns mit möglichst wenig Vorbehalten und Vorurteilen begegnen. Gerade deshalb braucht es auch die Auseinandersetzung mit Ungerechtigkeiten und den Einsatz für eine gerechtere Welt durch jede*n Einzelne*n von uns, egal wie alt oder jung wir sind.

Wie vermitteln wir Diversität und setzen uns gegen Ungerechtigkeit ein?

Unterschiedliche Erfahrungswelten und Positionierungen sind stets auch Abbilder gesellschaftlicher Machtverhältnisse, die über Jahrhunderte oder Jahrtausende gewachsen sind sowie strukturell verankert wurden und werden. Deshalb beinhaltet die Förderung von Diversität, Ungerechtigkeiten wahrzunehmen und anzusprechen – auch Kindern gegenüber. Hierbei sind folgende Schritte besonders wichtig, denn nicht nur andere können auf diesem Weg Vorbilder für Kinder sein, sondern ein*e jede*r von uns:

  1. Themen kindgerecht besprechen, ohne vor ihnen zurückzuweichen,
    denn nur wenn wir Machtverhältnisse und ihre Wirkweisen (wie Sexismus, Klassismus oder Homofeindlichkeit) genau benennen, vermeiden wir es, Kindern Scham oder Angst gegenüber den Thematiken zu vermitteln. Viele Kinder haben Ausgrenzung bereits selbst erlebt oder miterlebt und besitzen einen starken Gerechtigkeitssinn, hierauf können Sie in Gesprächen aufbauen.
  2. Pauschalisierungen und Stereotypen entgegenwirken,
    denn wir alle haben beim Aufwachsen und in unserer Sozialisierung schädliche Bilder verinnerlicht, die Menschengruppen pauschalisieren, den Einzelnen ihre Individualität absprechen, sie be- und abwerten. Machen Sie sich dies bewusst und finden Sie altersgerechte Geschichten und Filme, in denen marginalisierte Menschen selbst zu Wort kommen oder ihre individuellen Lebenswege im Fokus stehen.
  3. Gegen Ungerechtigkeit aktiv werden,
    denn wir alle können etwas gegen Diskriminierung tun und dies jungen Menschen auch schon früh verdeutlichen. Kinder mit eigenen Marginalisierungserfahrungen, zum Beispiel Schwarze und/oder trans* Kinder, brauchen positive Vorbilder, Bilder und geschützte Räume der Selbsterfahrung und des Austauschs. Und alle Kinder sollten dazu ermutigt werden, Formen des Aktivismus gegen Diskriminierung kennenzulernen und zu erproben, sei es der gemeinsame Besuch einer Demonstration, eine Beschwerdemail bei diskriminierenden Medieninhalten oder die Gründung einer Diversity-AG an der Schule.
Drei Fragen an die Autorin Chantal-Fleur Sandjon

Du hast bisher sehr unterschiedliche Bücher veröffentlicht, von Ernährungsratgebern bis zu Jugendromanen und Beiträgen in Gedichtanthologien. Warum jetzt dieses Buch?

Ich arbeite bereits seit einigen Jahren als Diversity-Trainerin und Workshopleitung zu Themen der diskriminierungskritischen Bildung. Dementsprechend beschäftigt mich schon länger, nicht nur aufgrund meiner eigenen Biografie, wie ich diese Themen für Kinder aufbereiten kann. Das hier ist ein erster Versuch und ich hoffe, dass er dem möglichst nahekommt, was mir auch als Kind gefehlt hat und was ich meinen Kindern mehr in Büchern wünsche – ein Zuhause zwischen den Seiten für ganz, ganz viele junge Menschen und ihre Familien.

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Wie bist du dabei vorgegangen und was war dir im Schreibprozess besonders wichtig?
Gerade weil ich auch über Lebenswelten schreiben wollte, die nicht meine sind, war es mir wichtig, mit unterschiedlichen Familien und Kindern zu sprechen. Ich habe versucht, einige ihrer Gedanken und Erfahrungen im Schreiben festzuhalten. Wichtig war mir aber auch, den Fokus auf bestärkende Momente zu setzen, weil diese vor allem, wenn es um marginalisierte Kinder geht, oft viel zu wenig Platz erhalten.

Gibt es auch etwas, was dir beim Schreiben schwergefallen ist?
Auf jeden Fall! Zum einen bin ich keine Kurzschreiberin, selbst meine Gedichte sind meist ziemlich lang. Mich kurzzufassen, aber dennoch alles festzuhalten, was mir wichtig ist, war eine besondere Herausforderung. Außerdem hätte ich gerne über unzählige Kinder mehr geschrieben, weil jedes einzelne Leben es wert ist, erzählt zu werden, und gerade diese Fülle an Erfahrungen Stereotypen besonders gut entgegenwirkt. 

Drei Fragen an die Illustratorin Lucy Farfort

Bitte erzähl uns etwas über deinen Hintergrund als Illustratorin

Ich illustriere seit etwa acht Jahren Kinderbücher. Davor habe ich nach meinem Studium verschiedene Jobs als Illustratorin und Designerin gehabt, aber ich konnte nicht so recht Fuß fassen.

Obwohl ich ein begeisterter Bilderbuchfan bin, kam es mir nie in den Sinn, selbst Bilderbücher zu illustrieren. Das lag wahrscheinlich daran, dass in den Büchern, die ich als Kind gesehen habe, keine Menschen vorkamen, die so aussahen wie ich. Erst mit Mitte 30 fasste ich endlich den Mut, es zu versuchen. Inzwischen habe ich mit mehreren Verlagen zusammengearbeitet und mein erstes eigenes Bilderbuch geschrieben und illustriert.

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Wie bist du dazu gekommen, für Chantal-Fleur Sandjons erstes Bilderbuch zu arbeiten?

Chantal-Fleur und ich hatten die Hoffnung, einmal zusammenzuarbeiten, seit wir uns 2020 auf Instagram durch einige von mir gepostete Kunstwerke kennengelernt hatten. Als ich dann von diesem Buch hörte, wollte ich mehr darüber erfahren.

Das Konzept hat mich sehr angesprochen, und ich wusste, dass es für viele Kinder wichtig sein würde, die sich in den Geschichten, die sie bisher gelesen haben, ausgeschlossen fühlten. Nachdem ich einige erste Illustrationsmuster eingereicht hatte, einigten wir uns darauf, zusammen weiterzumachen.

Wie war die Erfahrung, das Buch zu illustrieren?

Es hat Spaß gemacht und war abwechslungsreich, ist aber wahrscheinlich das anspruchsvollste Buch, das ich in meiner bisherigen Laufbahn illustriert habe. Weil es so viele und so unterschiedliche Charaktere gibt, musste ich die Grenzen meiner eigenen Fähigkeiten erweitern. 

Das Beste von allem war jedoch das Engagement des Teams, jedes Kind und seine Familie so authentisch wie möglich zu porträtieren. Ich fand das sehr inspirierend und habe dabei viel über verschiedene Menschen und Kulturen gelernt.